Der Tote im Diamant

Die Bestattungsindustrie vermarktet Diamantsynthesen in einer sehr umstrittenen Art und Weise: Sie verspricht, die Asche geliebter Menschen oder Tiere in Diamanten zu verwandeln und nennt diese Einäscherungsprodukte „Memorydiamanten“.

 

Die Idee der Einäscherungsdiamanten lehnt sich am natürlichen Bildungsprozess von Diamanten an: sie entstehen, wenn Kohlenstoffatome unter enormen Temperatur- und Druckbedingungen zu einer bestimmten Kristallstruktur geformt werden. Der Kohlenstoff kann laut Herstellerfirmen auch aus einem geliebten Mensch stammen, da der Körper ausreichend Kohlenstoff enthält. Der muss bloß eingeäschert werden, und der dabei gewonnene Kohlenstoff kann im Labor zum Diamant verarbeitet werden. Sogar eine Haarlocke soll für diesen Vorgang genügen, so das Versprechen einiger Hersteller.

 

Erinnerungsdiamanten werden also mithilfe des Kohlenstoffs, der in Haaren oder Kremationsasche enthalten ist, gezüchtet. Stimmt das wirklich? Sehen wir uns zunächst die Preise an:

 

 

Wie viel Kostet ein Erinnerungsdiamant?

Wenn man die Angaben der drei größten Hersteller von Memorydiamanten vergleicht, liegen die Preise gar nicht so weit auseinander:

  1. Die US-amerikanischen Firma LifeGem verlangt 10.000 USD aufwärts für einen farblosen, roten oder blauen Einkaräter (6,4 mm Durchmesser).
  2. Die US amerikanische Firma Algordanza™ startet bei 3.000 USD für 0,30 Karat (4,3 mm Durchmesser).
  3. Bei der schweizer Firma LONITÉ beginnt die Auswahl bei 0,25 Karat (3,8 mm) zu einem Preis von 2.000 Euro, siehe Foto von einem "Bersteinfarbenen" Diamanten in Achtkanttreppenschliff.
  4. Die besonders undurchsichtige Firma Adorodiamonds bietet Memorydiamanten aus Babyhaaren um 3.514,95 EURO für 0,2 Karat an.

Durchgehend mindestens 10.000 USD pro Karat - das ist für einen synthetischen Diamant unglaublich viel Geld, denn die Preise für "normale" laborgezüchtete Diamanten liegen derzeit bei rund 500 USD pro Karat und sind momentan am Fallen.

 

Die Herstellerfirmen rechtfertigen die hohen Preise ihrer "Aschediamanten" unter anderem mit der langen Wartezeit von 6 bis 9 Monaten, die der Wachstumsprozess eines Memorydiamanten in der aufwendigen Aparatur benötigt. Was nicht bekannt gegeben wird, ist der unglaublich hohe Stromverbrauch dieses Herstellungsprozesses.

 

Mehr zur Preisgestaltung und Umweltbilanz von synthetischen Diamanten im Diamant-Blog "Synthetische Diamanten kaufen?"

 

Wie kommt der Kohlenstoff in den Stein?

Die Antwort liefert die Grundlagenchemie: Das wesentliche Element, das zur Herstellung von Diamanten benötigt wird, ist Kohlenstoff. Schon seit den 1950er Jahren ist man in der Lage, aus Kohlenstoff synthetische Diamanten zu züchten. Dabei wurden im Wesentlichen zwei Methoden entwickelt:

 

Die HPHT-Methode stellt Labordiamanten unter Nachahmung der natürlichen Bedingungen her: Ein winziger Diamantsaatkristall wird in einer Pressmaschine unter extrem hohem Druck und hoher Temperatur (über 2.200 Grad Celsius) gehalten. Die zentrale Wachstumskammer enthält die notwendigen Bestandteile für das Kristallwachstum des Diamanten, also Kohlenstoff und chemische "Verunreinigungen", welche die spätere Farbe bestimmen. Das Ergebnis sind Lab-Diamanten-Kristalle mit Kombinationen aus kubischen und oktaedrischen Flächen. Ähnlich einer Bienenwaben Struktur mit Quadraten.

 

Neben der HPHT Methode wird auch die sogenannte CVP-Verfahren (Chemical Vapor Deposition) angewendet, wo der Kohlenstoff in Form eines Plasmas aufgedampft wird. Dabei spalten Mikrowellen die in den Reaktor eingespeisten Kohlenwasserstoffmoleküle auf. Diese Bruchstücke wandern nach unten zum kälteren Diamantkeim und lagern sich an der wachsenden Diamantoberfläche an.

 

Bei beiden Methoden wird der Kohlenstoff also nicht im Diamant gefangen oder "eingeimpft", sondern der erzeugte Diamant ist kristallisierter Kohlenstoff.

Wie kommt die Farbe in den diamant?

Die Farbe des endgültigen Diamanten wird durch Bestrahlung des Diamanten mit hochenergetischem Licht oder mit einem Elektronenstrahl bestimmt, der eine rote oder grüne Farbe erzeugen kann.

 

Die Farbe kann auch durch das Vorhandensein bestimmter Atome im Kristallgitter des Diamanten entstehen, wobei Bor einen bläulichen Farbton und Stickstoff einen Gelbstich ergibt. Eine völlige Abwesenheit von Farbe bedeutet einen Mangel an diesen Verunreinigungen und bewirkt einen farblosen Stein.

Wer mehr über die Farbe des Diamanten wissen möchte findet einen Blogbeitrag unter:  "Wie kommt die Farbe in den Diamanten".

Reicht der Aschekohlestoff aus?

Kohlenstoff hat einen durchschnittlichen Anteil von 18 % am menschlichen Körper. Der menschliche Körper besteht zu 3 % aus Stickstoff, der dem Diamanten eine gelbe Farbe verleiht, die von einem zarten Hellgelb bis zu einem intensiven Dunkelorange variiert. Farblose Diamanten werden meist durch Entfernen von Stickstoff aus dem Kohlenstoff hergestellt.

 

Laut Angaben der Firma Adoro reichen 5g Haare aus, um einen Memorydiamanten herzustellen.

 

Laut wissenschaftlicher Studien wird jeglicher Kohlenstoff bei Temperaturen von 600 Grad Celsius vollständig aus menschlichen Überresten eliminiert. Die Standardeinäscherung erfolgt jedoch erst bei ca. 980 Grad Celsius. Bei diesen hohen Temperaturen verbindet sich der Kohlenstoff aus menschlichen Gewebe mit Sauerstoff zu Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid, das sich in weiterer Folge in Luft auflöst.

Asche besteht also nicht aus Kohlenstoff, sondern aus verschiedenen verkohlten Elementen, die bei der Reaktion nicht verbrannt worden sind, wie Kalziumphosphat, Natrium, Kalium und Magnesium. Kohlenstoff hingegen hält sich bei der Verbrennung nicht in der Asche, sondern verdampft.

 

Das bedeutet, dass bereits zu jenem Zeitpunkt, an dem die Hinterbliebenen aus dem Krematorium die Asche ihrer Liebsten erhalten, kein Kohlenstoff mehr übrig ist, um einen Diamanten herzustellen.

 

Besonders bedenklich ist die Patentdokumentation der Firma LifeGem, einem der führenden Unternehmen der Branche: Ihr eigenes Patent räumt ein, dass „die konventionelle Einäscherung den größten Teil des nativen Kohlenstoffs eliminiert.“ Ihre vorgeschlagene Lösung? Ein modifizierter Einäscherungsprozess, bei dem „der Kopf- und Brustbereich nicht direkt unter dem Hauptbrenner positioniert sind“ – eine Praxis, die kein seriöses Bestattungsunternehmen jemals in Betracht ziehen würde und auch den zivilisierten Gesetzgebungen widerspricht.

 

Aber wenn die grundlegende Chemie (zusammen mit den verwaltungsrechtlichen Einäscherungsvorschriften) das versprochene Produkt unmöglich macht, was genau liefern diese Unternehmen dann an ihre Kunden?

Ein Ethikproblem

Die Implikationen sind tiefgreifend: Familien, die in ihrer Trauerzeit besonders verletzlich sind, zahlen Tausende von Dollar oder Euro, für etwas, das sie für ein einzigartiges und persönliches Andenken an den Verstorbenen oder ihr geliebtes Haustier halten.

 

Gleichzeitig suggeriert ihnen die Werbung, dass ein Memorydiamant wertvoller als ein natürlicher Diamant sei: "Erinnerungsdiamanten haben eine viel wertvollere Herkunft als die natürlichen Diamanten dieses Types - denn sie stammen von Ihren Liebsten ab."

 

Die Edelsteinindustrie hat eine ethische Verpflichtung, Praktiken aufzudecken, die emotionale Verletzlichkeit für Profit ausnutzen. Die Tatsache, dass diese Branche so lange ohne nennenswerte regulatorische Kontrolle funktioniert hat, ist ein Versagen unserer Verbraucherschutzsysteme.

 

Fazit

 Die Erinnerungsdiamanten sind offenbar eine unlautere Geschäftspraxis. 

 

In ihrer jüngsten CIBJO-Konferenz im November 2024 diskutierte die CIBJO-Diamantenkommission die Praktiken von Herstellern synthetischer Diamanten "aus eingeäscherten Überresten", und forderte weitere Untersuchungen und Leitlinien. Im Brennpunkt der Diskussion stand auch hier das Problem, dass die Temperaturen in Krematorien in der Regel über denen liegen, die die Verdampfung von Kohlenstoff auslösen, was die Frage aufwirft, ob genügend Kohlenstoff für die Synthese eines Diamanten gewonnen werden kann.

 

Für die Branche ist es von entscheidender Bedeutung, die höchsten Standards für ethische Praktiken und Transparenz einzuhalten. Die Diamantenkommission schlägt deshalb folgenden verpflichtenden Hinweis vor: "Ein Bericht über synthetische Diamanten muss klar und deutlich darauf hinweisen, dass der Stein aus einer unbekannten Kohlenstoffquelle gezüchtet wurde."

 

 

In der Schmuck- und Gedenkstättenindustrie sollte es darum gehen, echte Erinnerungen zu bewahren und keine künstlichen herzustellen. Wenn wir ein Schmuckstück kaufen, kaufen wir ein Symbol der Liebe, der Erinnerung oder des Erfolgs. Einäscherungsdiamanten spielen hingegen eine Illusion vor.

 

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