Die Abbildung zeigt das wohl erstaunlichste Beispiel eines mittelalterlichen Saphirrings, den so mancher Betrachter wohl eher einem modernen italienischen Schmuckdesigner zugeordnet hätte:
Dieser Ring aus einem einzigen Saphir gefertigt, kann aufgrund einer Nachricht aus dem Jahr 1436 auf den Besitz Herzog Ernsts des Eisernen (1377–1424) zurückgeführt werden. Er gilt als das älteste, inventarisch eindeutig bestimmbare Objekt aus dem mittelalterlichen Schatzbesitz des Hauses Habsburg.
Hergestellt wurde dieses Meisterwerk vermutlich in Venedig um 1400 und kann heute in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums Wien unter der inventarnummer 88207 bestaunt werden (Fotocredit: https://www.khm.at/objektdb/detail/88207/ ).
Das Wort „Ring“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen; im antiken Rom wurde ein kreisförmiges Schmuckstück mit dem lateinischen Wort anulus bezeichnet, was bis heute im italienischen Anello, dem französischen Anneau und dem spanischen Anillo weiterlebt.
Schon sehr früh bildeten sich bei Ringen im Laufe der Kulturgeschichte die unterschiedlichsten Bedeutungen heraus: So waren sie nicht nur als Schmuck gebräuchlich, sondern dienten auch lange vor der Erfindung von Münzen als Tausch- und Zahlungsmittel (sogenanntes „Ringgeld“) oder auch als Pfandmittel.
Tatsächlich fungierten Fingerringe wegen der einer Kreisform innewohnenden symbolhaften Bedeutung von Ewigkeit, Unaufhörlichkeit wohl schon seit der Antike, spätestens aber im Mittelalter als Zeichen der Liebe und Treue, und in der frühen Neuzeit kamen verstärkt auch persönliche Gedächtnis- oder Trauerringe mit hohem emotionalem Gehalt hinzu.
Bald erhielten Ringe auch legitimierende Funktionen: In der Antike und im europäischen Mittelalter gehörten Fingerringe zu den beliebtesten Schmuckstücken der Oberschicht, insbesondere fungierten Siegelringe als Macht- und Würdezeichen. Zahlreiche Funde in ganz Europa belegen, dass die seltenen und kostbaren Saphire hierfür besonders oft verwendet wurden.
Mittelalterliche Schriftsteller und Mystiker schrieben nicht nur dem Gold, sondern auch den Edelsteinen allgemein magische oder spirituelle Eigenschaften zu. Im Besonderen wurden von Saphiren angenommen, dass sie Keuschheit, Frieden und Versöhnung fördern und Schlangenbisse sowie Stottern heilen. Die kühle blaue Farbe des Steins wurde auch verantwortlich gemacht, Kopfschmerzen zu lindern, Entzündungen zu heilen und den Körper zu kühlen. Deshalb gibt es zahlreiche Beispiele für mittelalterliche Goldringe mit Saphirbesatz.
Die Edelsteine waren zumeist polierte Cabochons (halbe Kugeln oder halb Ovalformen) und einfach facettierte Steine, wobei neben Saphir auch Rubin, Granat, Amethyst, Bergkristall und Diamanten verwendet wurden. Die einzelnen Steine wurden einerseits aufgrund ihrer ästhetischen Anziehungskraft ausgewählt, andererseits wegen ihrer magischen oder medizinischen Eigenschaften.
Im Hochmittelalter (Mitte 11. bis Mitte 13. Jhd) lebte die seit der Spätantike aus der Mode gekommene Verwendung von geschnittenen Edelsteinen wieder auf. So erlebte die antike Kunst des Steinschneidens in Intaglios und Kameen eine neue Blüte.
Nicht nur in der orthodoxen Tradition, sondern auch von der katholischen Kirche wurden Saphire wegen ihrer himmlisch blauen Farbe sehr geschätzt: So beschreibt etwa der Schriftsteller
Bartholomeus Anglicus (gestorben 1272) das Saphirblau als "dem Himmel bei schönem Wetter am ähnlichsten" und bringt ihn mit der Jungfrau Maria in Verbindung, die oft in einem blauen Kleid
dargestellt wird. Diese coeleste Verbindung machte Saphire zu einer beliebten Wahl für Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger: So erhielten ab dem 12. Jhd Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen
kostbare Ringe, oft Siegelringe, im Rahmen ihres
Weihedienstes als Symbol ihres Amtes oder Engagements für die Kirche. Funde in den Gräbern von englischen und französischen Bischöfen deuten darauf hin, dass Saphire hierfür bevorzugt wurden.
Auch profane Siegelringe gehören zu den häufigsten Arten von erhaltenen Ringen aus dem Mittelalter und der Renaissance. In den Edelsteinen wurde das jeweilige Wappen, die Initialen des Besitzers oder das Zeichen („Signet“), das ein Kaufmann zur Identifizierung seiner Waren verwendet, eingraviert. Die gravierte Lünette wurde in heißes Siegelwachs gedrückt und so auf einem Dokument oder einer Urkunde befestigt. Der Siegelring wurde je nach den Mitteln des Besitzers aus Gold, Silber oder Bronze gefertigt und war bis zum 18. Jhd sehr verbreitet, bis er weitgehend durch Petschaften ersetzt wurde, welche an Uhrenketten getragen wurden.
Das Wappen war das heraldische Motiv, das in einer Schildform eingeschlossen war und von einigen wohlhabenden Familien oder Einzelpersonen als Zeichen ihrer edlen Herkunft verwendet wurde. Die
Verwendung von heraldischen Waffen wurde durch die Tradition – bzw. in England durch das College of Arms – geregelt.
Eine besonders glamouröse Art von Signet wurde im 16. Jhd entwickelt: Das Wappen oder das heraldische Symbol wurde auf einen harten Stein wie Bergkristall oder in diesem Fall auf einen blassen Saphir eingraviert. Die Farben des Wappens konnten auf Folie gemalt werden, die unter den Stein gelegt wurde. Dadurch konnte der geschnitzte Stein in heißes Wachs gepresst werden, ohne dass die hellen Farben auf dem Ring verblassten - wie dies auf weichen Steinen wie z.B. dem orangeroten Karneol der Fall war.